Alte Synagoge Erfurt – Das jüdische Herz des Mittelalters neu entdecken
Schon beim Eintritt in den kleinen Hinterhof der Waagegasse spüre ich: Die Alte Synagoge Erfurt ist kein „gewöhnlicher“ Programmpunkt auf der Touri-Route, sondern ein besonderer, fast versteckter Schatz mitten in der Altstadt. Hier wartet keine überlaufene Sehenswürdigkeit, sondern ein Ort mit Tiefgang, bewegender Geschichte und Hauptrolle in einem echten Wunder der Vergänglichkeit.
Erstmal tief durchatmen – und staunen
Ich mag Orte, die nicht sofort alles preisgeben. Die Alte Synagoge Erfurt ist so einer. Sie steht seit über 900 Jahren mitten in Erfurt und hat dabei wahrlich alles überlebt: Blütezeiten, dramatische Wendepunkte, jahrhundertelang das Vergessenwerden – und schließlich ein echtes Happy End. Schon das Licht zwischen den alten Mauern fühlt sich anders an. Ich lasse meinen Blick schweifen und stelle mir vor, wie hier vor Hunderten von Jahren jüdisches Leben pulsierte, gefeiert, gebetet, gestritten wurde.
Es ist ein Gefühl von Verbundenheit zwischen Vergangenheit und Gegenwart – als würde die Synagoge leise ihre Geschichten erzählen.
Nur durch Vergessen gerettet: Ein Haus mit vielen Leben
Was mich besonders fasziniert: Die Alte Synagoge Erfurt steht heute überhaupt noch, weil sie schlicht vergessen wurde! Nach dem Pogrom von 1349, das die jüdische Gemeinde auslöschte, hatte das Gebäude seinen einst so feierlichen Zweck verloren. Also nutzte man es völlig unfeierlich weiter: Erst als Lagerhaus, dann als Wirtshaus, Saal für Veranstaltungen – und sogar als Kegelbahn! In den alten Mauern wurde gefeiert, gestapelt, gekegelt, gelacht und getrunken, niemand dachte mehr daran, dass dies einmal ein herausragender Ort jüdischen Lebens war.
Genau diese Unscheinbarkeit rettete die Synagoge durch die Jahrhunderte – und besonders durch die düsteren Jahre des Nationalsozialismus. Während anderswo jüdische Stätten zerstört wurden, hielt man in Erfurt ein „ganz normales“ Haus für völlig unbedeutend. Erst als man in den 1980er und 1990er Jahren bei Renovierungen auf alte Fundamente, Ritualspuren und jüdische Gravuren stieß, wurde das Geheimnis gelüftet und die Geschichte Stück für Stück wiederentdeckt. Und so wurde aus einer Kegelbahn Schritt für Schritt die heutige Alte Synagoge Erfurt: lebendiges Erinnerungs- und Begegnungszentrum, UNESCO-Welterbe und ein echtes Gänsehaut-Ziel.
Entdeckungstour ins Herz der Geschichte
Drinnen erwartet dich keine steife Ausstellung, sondern ein lebendiges Mosaik aus Geschichten, Funden, kleinen Wundern. Ich entdecke Reste aus dem 11. Jahrhundert, lerne von den dramatischen Kapiteln jüdischen Lebens, vom legendären „Erfurter Schatz“ (Gold, Silber, ein mittelalterlicher Hochzeitsring!), aber auch von Hoffnung und Wiederbelebung. Alle Details machen Geschichte begreifbar: winzige Inschriften, steinerne Kapitelle, ausgewählte Fundstücke und multimediale Begleiter.
Auch das Besondere: Die Alte Synagoge Erfurt ist Teil eines Ensembles – mit der Mikwe (dem jüdischen Ritualbad ums Eck) und dem „Steinernen Haus“. All das wurde 2023 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Man spürt stolz, Respekt, und gleichzeitig eine ganz entspannte Erfurter Lässigkeit: Keine strengen Regeln, kein „Museumssehnsucht“-Feeling, sondern Offenheit fürs Staunen.
Danach noch eine Runde durch die Altstadt? Auf jeden Fall! Krämerbrücke, Domplatz und kleine Cafés bieten danach viel Gelegenheit zum Nachsinnen.
Praktische Infos für deinen Besuch
- Adresse: Waagegasse 8, 99084 Erfurt (Altstadt)
- Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10–18 Uhr (Montags geschlossen); Führungen am Wochenende lohnen sich.
- Eintritt: 8 € für Erwachsene, Ermäßigungen möglich; am ersten Dienstag im Monat ist der Eintritt sogar frei.
- Zeitbedarf: Mindestens eine Stunde solltest du einplanen – mit Führung und Neugier geht’s auch locker in zwei über.
Tipp: Am besten entdeckst du die Alte Synagoge Erfurt gleich morgens oder am späten Nachmittag, dann ist es besonders ruhig und die Stimmung richtig authentisch.
Mein Fazit
Die Alte Synagoge Erfurt ist kein „klassisches“ Museum, sondern ein Ort, der leise berührt. Es ist dieses Gefühl, direkt in die Geschichte einzutauchen und ein bisschen Ehrfurcht mitzunehmen. Für alle, die vergessene Orte lieben, tiefgründige Geschichten suchen und offen sind für unerwartete Begegnungen mit der Vergangenheit – für die ist die Alte Synagoge Erfurt das perfekte Ziel. Für mich ist sie eines der eindrucksvollsten Highlights der Stadt. Und das Beste: Hier erzählen nicht nur Mauern – hier spürt man mit jedem Atemzug die kleinen und großen Wunder der Geschichte.
Viel Freude beim Eintauchen, Staunen und Nachfühlen – und falls du selbst dort warst: Teile gerne deine Eindrücke!