Annecy – Wo die Alpen auf venezianisches Flair treffen
Es gibt Orte, die sieht man auf Bildern – und weiß sofort: Da muss ich hin. So ging es mir mit Annecy. Diese kleine Stadt am Fuße der Alpen, mit ihren Kanälen, den pastellfarbenen Häusern und der Bergkulisse im Hintergrund, hatte mich schon lange fasziniert. Im April 2023 habe ich mir diesen Wunsch erfüllt – und wurde mehr als belohnt.
Was ich mitgebracht habe? Eindrücke einer Stadt, die weit mehr ist als eine hübsche Kulisse. Eine Stadt, deren Architektur Geschichten erzählt. Die einen durch Jahrhunderte trägt – und trotzdem voll im Heute steht. Diesen ganz persönlichen Blick auf Annecy möchte ich mit Ihnen teilen.
Architektur zum Staunen: Von mittelalterlich bis modern
Schon bei meiner Ankunft war klar: Annecy hat Charakter. Die Altstadt wirkt, als hätte man sie liebevoll aus einem alten Gemälde herausgelöst. Enge Gassen, Bögen über den Wegen, Häuser in warmen Gelbtönen, oft mit Fensterläden in verblasstem Grün oder Blau. Alles wirkt wie aus einem Guss – und doch nie langweilig.
Ein Gebäude hat mich besonders fasziniert: das Palais de l’Isle. Es liegt mitten im Kanal, auf einer kleinen Insel, und sieht aus wie ein steinernes Schiff. Früher war es Verwaltungssitz und Gefängnis, heute beherbergt es ein kleines Museum. Aber ehrlich gesagt: Ich hätte stundenlang einfach nur davor stehen und es anschauen können. Diese Mischung aus rauer Festung und romantischem Flair hat mich tief beeindruckt.
Auch das Château d’Annecy thront über der Stadt wie ein stiller Beobachter. Ich bin den Hang hochgelaufen – es war anstrengend, aber der Blick von oben lohnt sich. Hier erkennt man die Struktur der Altstadt, wie die Gassen vom See bis zum Schloss verlaufen, wie Alt und Neu sich umeinander winden.
Was mir besonders gefallen hat: Obwohl es moderne Gebäude gibt, sind sie dezent eingebunden. Man merkt, wie sehr man hier auf das Gesamtbild achtet – und das gibt der Stadt eine wunderbare Ruhe.
Ein kurzer Streifzug durch die Geschichte
Während meines Spaziergangs durch Annecy wurde mir bewusst, wie tief die Wurzeln dieser Stadt reichen. Bereits um 50 v. Chr. gründeten die Römer hier die Siedlung Boutae. Doch im Jahr 259 n. Chr. wurde dieser Ort bei Überfällen zerstört, und die Überlebenden zogen sich in die nahegelegenen Hügel zurück, wo sie die Siedlung Anniciaca errichteten .
Im 7. Jahrhundert begann eine erneute Besiedlung am Ufer des Thiou. Die erste urkundliche Erwähnung von Annecy stammt aus dem Jahr 1107, als zwischen der Kirche Saint-Maurice und dem im Bau befindlichen Château d’Annecy eine neue Siedlung entstand. Spannend ist, dass die Grafen von Genf, aufgrund von Konflikten mit den Bischöfen von Genf, ihre Residenz nach Annecy verlegten und die Stadt zu ihrer Hauptstadt machten .
Ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte Annecys begann 1401, als die Stadt und die Grafschaft Genf von Odo von Thoire und Villars an Amadeus VIII. von Savoyen verkauft wurden. Diese Verbindung mit dem Haus Savoyen prägte die Stadt nachhaltig .
Mit dem Aufkommen der Reformation in Genf im Jahr 1536 wurde Annecy zu einem Zentrum der Gegenreformation. Die Stadt beherbergte zahlreiche religiöse Orden und wurde zum Sitz des Bischofs von Genf. Besonders beeindruckend ist das Wirken von Franz von Sales, der von 1602 bis 1622 Bischof war und gemeinsam mit Johanna Franziska von Chantal den Orden der Heimsuchung Mariens gründete .
Im 19. Jahrhundert, genauer gesagt 1860, wurde Annecy offiziell Teil Frankreichs. Diese Annexion brachte zahlreiche Modernisierungen mit sich, darunter den Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der Industrie .r widerspiegelt.
Annecy heute – lebendig, nachhaltig, überraschend modern
Annecy ist keine Stadt, die sich auf ihrem Charme ausruht. Im Gegenteil: Sie ist modern, ökologisch bewusst und unglaublich lebendig. Was mich beeindruckt hat: Wie gut sich alles verbinden lässt. Man kann morgens durch das historische Zentrum schlendern, mittags mit dem Fahrrad am See entlangfahren, und abends bei einem Glas Wein das Treiben auf dem Quai beobachten.
Viele Gebäude sind restauriert, aber nie überrestauriert. Ich liebe es, wenn alte Fassaden Patina tragen dürfen. Und auch bei Neubauten wird darauf geachtet, dass sie sich harmonisch einfügen – oft durch Materialien, Farben oder ihre Dachform.
Besonders spannend fand ich, dass Annecy sich sogar um den UNESCO-Welterbestatus bemüht. Ich finde, das passt. Denn diese Stadt ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Geschichte bewahren und gleichzeitig zukunftsfähig sein kann.
Mein Fazit: Eine Stadt, die sich einprägt
Wenn ich an meine Reise nach Annecy zurückdenke, denke ich an mehr als nur schöne Fotos. Ich denke an Geschichten, die in Mauern stecken. An Architektur, die nicht nur schön, sondern bedeutungsvoll ist. Und an eine Stadt, die mich immer wieder überrascht hat – mit ihrer Offenheit, ihrem Respekt vor der Vergangenheit und ihrem Sinn für das Leben.
Ich bin sicher: Es war nicht mein letzter Besuch.
Wann ist die beste Reisezeit?
Der April war ideal: wenig Touristen, angenehmes Wetter (wenn auch wechselhaft), und alles blüht. Wer es ruhiger mag, sollte die Sommermonate meiden.
Wie gut kommt man ohne Auto zurecht?
Eine sehr wichtige Information ist, dass die Altstadt autofrei ist, aber es gibt Parkplätze im direkten Innenstadtbereich. Der See mit dem Rad erreichbar.
Gibt es Führungen zur Architektur?
Ja, über das Office de Tourisme. Ich habe aber an keiner historischen Stadtführung teilgenommen.